Veronika Ahn-Tauchnitz vom Tölzer Kurier (rechts) mit Ilse Raeder (links) in Lenggries an der Isar auf der Jagd nach Springkraut und einer guten Story.
Foto: Merkur

Eine Lokaljournalistin erzählt

Wenn ich im Rahmen des Medienprojekts »Klasse« Schulen besuche, erzähle ich den Jugendlichen immer als erstes, dass ich den besten Job der Welt habe. Das mache ich nicht, weil sich das cool anhört. Ich sage das, weil es stimmt. Lokaljournalismus ist abwechslungsreich, spannend, interessant, lustig, traurig, ergreifend, bewegend, unmittelbar, weltverändernd. Kurz: der allerbeste Job, den ich mir vorstellen kann.

Das heißt eben auch, unbequem zu sein, nicht mit dem Strom zu schwimmen und nicht alles so zu berichten, wie es Entscheidungsträger gerne hätten.

Gut in diesem Metier kann nur sein, wer seine Heimat liebt. Und genau das – ich glaube, da spreche ich für alle meine Kollegen – tun wir. Das mag in einer globalisierten Welt auf den ersten Blick vielleicht etwas antiquiert wirken, aber wir stehen dazu und fi nden es wichtig. Warum sonst sollten wir uns bewusst Heimatzeitung nennen? Es lässt uns nicht kalt, was um uns herum passiert. Das heißt nicht, dass wir alles gut fi nden müssen (auch wenn das den Kommunalpolitikern vielleicht lieber wäre). Im Gegenteil: Gerade weil wir unsere Heimat schätzen, müssen wir alles daran setzen, sie zu verteidigen. Und das heißt eben auch, unbequem zu sein, nicht mit dem Strom zu schwimmen, nicht alles abzunicken, nicht Pressemitteilungen ungeprüft zu veröffentlichen und nicht alles so zu berichten, wie es Entscheidungsträger gerne hätten. Dafür schlagen wir uns die Nächte um die Ohren, um von politischen Versammlungen, von Eishockeyspielen, Theateraufführungen und vielen, vielen anderen Veranstaltungen aktuell zu berichten.

Am schönsten an meinem Job sind aber die Begegnungen mit Menschen. Gar nicht so sehr die mit Prominenten, sondern vielmehr mit den »ganz normalen« Leuten. Sie sind es, die die wirklich spannenden Geschichten zu erzählen haben: Wie der Schulleiter, der in seiner Freizeit ausgefallene Biersorten braut, der Mann, der anhand der Königskerze vorhersagen kann, wie viel Schnee der kommende Winter bringt oder die drei jungen Mädchen aus dem Nachbardorf, die eine Seniorin vor dem Ertrinken gerettet haben.

Ohne unsere Leser wären wir gar nichts.

Ich arbeite seit fast 20 Jahren als Lokaljournalistin, seit 2011 leite ich die Tölzer Redaktion. In dieser Zeit sind mir unsere Leserinnen und Leser ziemlich ans Herz gewachsen. Sie möchten wir unterhalten, überraschen, berühren, bewegen und ihnen, wenn es nötig ist, helfen – und das jeden Tag aufs Neue. Mit manchen von Ihnen verbindet uns eine jahrzehntelange Beziehung, zu anderen haben wir gerade erst zarte (Probeabo)-Bande geknüpft. Sie alle aber sind uns gleichermaßen wichtig, denn ohne unsere Leser wären wir gar nichts.

Sicher, manchmal möchte ich dem einen oder anderen ganz gehörig die Meinung geigen. Dann nämlich, wenn die Kollegen wieder bis in die Nacht hinein an einer Ausgabe gebastelt und wirklich alles gegeben haben, um schöne Geschichten ins Blatt zu heben – und dann ruft jemand an und beschwert sich über einen lausigen Rechtschreibfehler in einer Meldung auf Seite 8 ganz unten. Aber bevor ich am Telefon zu schimpfen anfange, halt ich stets inne und denke mir immer: Der Leser hat ja eigentlich recht. Für das Geld, das er jeden Tag für seine Zeitung bezahlt, darf er natürlich einwandfreie Qualität verlangen. Und ehrlich: Niemand ärgert sich über Fehler mehr als wir. Genau deshalb strengen wir uns jeden Tag aufs Neue an – und weil wir eben den besten Job der Welt haben.

Veronika Ahn-Tauchnitz